Osteochondrosis dissecans

 
MRT-Bild einer Osteochondrosis dissecans des Kniegelenkes

Die Osteochondrosis dissecans (OCD, auch angloamerikanisch Osteochondritis dissecans) ist die umschriebene aseptische Knochennekrose unterhalb des Gelenkknorpels, die mit der Abstoßung des betroffenen Knochenareals mit dem darüberliegenden Knorpel als freier Gelenkkörper (Gelenkmaus) enden kann. Sie kann die meisten Gelenke des menschlichen Körpers betreffen, sie tritt aber vor allem im Kniegelenk, im oberen Sprunggelenk und im Ellbogengelenk auf. In der Veterinärmedizin kommt sie insbesondere bei großen Hunderassen (Schulter, Ellbogen, Knie, Sprunggelenk etc.) und bei Mastschweinen vor.

Ätiologie (Ursache) 

Von unterschiedlichen, in der Vergangenheit kontrovers diskutierten Entstehungstheorien scheinen mechanische Faktoren (repetitive Impulsbelastungen) die wahrscheinlichste Ursache darzustellen. Daher sind auch aktive bis hochaktive Kinder und Jugendliche am häufigsten betroffen. Möglicherweise spielt bei der (typischen) OCD an der medialen Femurkondyle eine Störung des Bewegungsablaufs beim Rennen eine entscheidende Rolle: Es kommt, wie Bewegungsanalysen zeigen, zu einer kurzfristigen Rotation im Knie mit folgendem Anschlagen der Femurkondyle an die Wange der Eminentia intercondylaris. Bei der seltenen Osteochondrosis dissecans der lateralen Femurkondyle spielt oft eine Meniskuspathologie (z.B. ein Scheibenmeniskus) und möglicherweise auch kindliches Rheuma eine Rolle. Bei der ebenfalls häufigen OCD der medialen Talusschulter können wiederholte Umknickereignisse im oberen Sprunggelenk die Ursache sein. Bei der OCD am Ellenbogen sind armbelastende Wurfsportarten ursächlich beteiligt. Aber nicht bei allen OCD-Formen lässt sich die mechanische Genese so zweifelsfrei wie am Knie dokumentieren.

Pathogenese (Krankheitsverlauf) 

Die Erkrankung entsteht auf dem Boden einer knöchernen Durchblutungsstörung unterhalb des Knorpels (subchondrale Vaskularisationsstörung). Am Anfang kommt es in diesem Bereich zu einer Osteonekrose, später zu einer bindegewebigen Demarkation gegenüber dem vitalen umgebenden Knochen. Der dem Befund aufliegende Knorpel zeigt anfänglich keinerlei Veränderungen, er ist vital und mechanisch stabil, weil seine Ernährung durch die Versorgung durch die Gelenkflüssigkeit Synovia sichergestellt ist. Später kann es aufgrund der instabil werdenden knöchernen Unterlage auch zu Knorpelveränderungen und geringer Erweichung kommen. Diese Knorpelerweichung kann durch Einklemmung zu intermittierenden Bewegungseinschränkungen führen. Unter fortlaufender Beanspruchung kann es dann zu einer Lockerung des toten Knochens aus der vitalen Umgebung und nach Riss der elastischen Knorpeldecke in der Spätphase zu einer Lösung des gesamten Knorpel-Knochenstücks und damit zur Gelenkmaus (Dissekat) kommen. Das Dissekat kann dann im Mausbett verbleiben oder akut dislozieren, d.h. durch Gelenkbewegung in andere Teile der Gelenkhöhle verschoben werden. Dieses Stadium gibt der Erkrankung den Namen, weil früher, vor Röntgen und Kernspin-Untersuchung, die Krankheit erst mit Ablösung der „Maus" und die dadurch ausgelöste Blockierung erkannt wurde. Im letzten Stadium der Erkrankung (der Dissektion) kann das Knorpel-Knochenfragment sich auch zerlegen und in kaum nachweisbare Teile zerfallen. Es verbleibt auf jeden Fall bei der Dissektion ein relevanter, der Mausgröße entsprechender Gelenkflächendefekt.

Klinik (Beschwerden)

Erste Beschwerden treten als unklare belastungsabhängige Schmerzen auf. Diese können bei Kindern als Wachstumsschmerzen oder als Rheuma fehlinterpretiert werden. Morgendliche Beschwerden sind sehr selten, eher treten sie während oder nach sportlicher Aktivität auf. Oft muß der Sport aufgrund der Schmerzen eingestellt werden. Konsequente Sportpause oder Entlastung mindert die Beschwerden. Ein Gelenkerguss oder eine Weichteilschwellung gehört nicht zu den Zeichen der OD. Nach Ablösen einer Gelenkmaus kann diese einklemmen und es kommt zur Gelenksperre (Blockierung) und plötzlich einsetzenden heftigen Schmerzen wie bei einem großen Meniskusriss. Mechanische Symptome (Blockaden, Streckhemmung) zusätzlich zu Schmerzen sind immer ein Hinweis auf eine Oberflächenveränderung, eine Instabilität oder auf eine beginnende Dissektion des Knorpel-Knochen-Fragmentes.

Röntgenbild: Osteochondrose mit Dissekat noch im Verbund des medialen Kondylus

Diagnose 

Oft wird die Erkrankung zufällig auf einem Röntgenbild entdeckt, das nach einem Unfall von der Knieregion, vom Sprunggelenk oder vom Ellbogen angefertigt wird. Bei Beschwerden typischer Art bei aktiven Kindern und Jugendlichen kann mit einem einfachen Röntgenbild meist die eindeutige Diagnose gestellt werden, weil der abgestorbene Knochen unterhalb der Gelenkoberfläche als kalksalzarme Zone an typischer Stelle an der Femurkondyle identifiziert werden kann. Manchmal kann eine sogenannte Tunnelaufnahme mit gebeugtem Knie die Nekrosezone noch besser zeigen. Zur genaueren Analyse wird in den meisten Fällen eine Kernspintomographie durchgeführt. An den dabei erzeugten Bildern lässt sich die Größe des Befundes, die Tiefenausdehnung und vor allem eine Beteiligung des darüberliegenden Knorpels genau ausmessen. Daraus ergeben sich dann therapeutische Konsequenzen. Für die Verlaufsbeurteilung der Erkrankung eignet sich aber auch wieder die einfache Röntgenuntersuchung und zur Beurteilung der Knorpeloberfläche auch die Sonographie.

Gleicher Patient: Großer Gelenkflächendefekt nach Dissektion des OD-Herdes im Kernspinbild

Therapie

Die Therapie der Osteochondrosis dissecans ist abhängig von der relativen Größe der Veränderungen und von der Lokalisation in Bezug zum Gelenk. Ein weiteres wichtiges Entscheidungskriterium ist das Stadium (stabil / instabil) der Läsion. Als Instabilitätszeichen tritt im MR eine Zystenbildung deutlich hervor. Zusätzlich spielt das Alter des Patienten eine wichtige Rolle. Bei noch weit offenen Wachstumsfugen, also bei Jungen bis zum 14. bei Mädchen bis zum 13. LJ sind die spontanen Heilungsaussichten gut bis sehr gut. Im Durchschnitt heilen 50% der OD-Fälle am Kniegelenk ohne operative Maßnahmen aus. Die Ausheilung dauert immer Monate bis Jahre, weil der Knochenumbau (Remodeling) der Nekrosezone durch Osteoklasten und Osteoblasten lange Zeit in Anspruch nimmt.

Konservative Therapie

Zunächst sollte immer, außer bei dissezierten oder dissektionsgefährdeten Befunden, ein konservativer Versuch ohne Operation gemacht werden. Hierzu wird die mechanische Beanspruchung des betreffenden Gelenkes massiv reduziert durch Sportverbot und Entlastung an Unterarmgehstützen bei Läsionen am Knie oder am Sprunggelenk. Ruhigstellungen von Gelenken z.B. im Gipsverband haben bei aktuellen Behandlungskonzepten keine Begründung mehr.

Operative Therapie 

Bei anhaltenden oder trotz konsequenter Entlastung zunehmenden Beschwerden am Knie oder Sprunggelenk, besonders bei Neuauftreten von mechanischen Symptomen wie Blockierungen oder Gelenkschnappen ist eine Gelenkspiegelung (Arthroskopie) des betreffenden Gelenkes empfohlen, um den Beteiligungsgrad des Gelenkknorpels beurteilen zu können, was mit der Kernspintomographie nicht immer zuverlässig gelingt.

Ist bei der arthroskopischen Diagnostik der Knorpel intakt und gelenkseitig noch keine Abgrenzung des betroffenen Bereichs zu erkennen, ist eine retrograde (von außerhalb des Gelenkes) Anbohrung der Sklerosezone zur Revitalisierung des Knochens indiziert. Durch die Bohrlöcher können Gefäße und Stammzellen in den nekrotischen Bereich eindringen und den Knochen regenerieren. Die Lage der Bohrkanäle kann während der Operation auch mit Hilfe einer Röntgen-Durchleuchtung kontrolliert werden.

Ist der betroffene Bereich noch nicht gelöst, der Knorpel intakt, aber eine beginnende Abgrenzung erkennbar, kann man durch einen Bohrkanal eine retrograde Spongiosaplastik oder durch den abgehobenen Befund (Knorpel-Knochen-Deckel) eine offene Knochentransplantation und Bohrung durchführen. Dieses Verfahren findet besonders bei den hartnäckigen Befunden am Sprungbein (Talus) Anwendung, die selten spontan ausheilen.

Bei Knorpeldefekt, gelockertem oder gelöstem Dissekat ist entweder die Refixierung des vitalen Dissekats bei jugendlichen Patienten angezeigt oder bei zerstörtem oder avitalem Dissekat eine Knochen-Knorpeltransplantation die Therapie der Wahl. Diese Operationen werden im Gegensatz zu den reinen Anbohrungen offen über einen Hautschnitt durchgeführt. Der Vorteil der Knorpel-Knochentransplantation ist die Verwendbarkeit auch bei tiefen knöchernen Läsionen, wie sie bei OD häufig zu finden sind. Hierbei entstehen allerdings Entnahmedefekte, die aber klinisch meist keine relevanten Beschwerden erzeugen.

Neuere Verfahren der Knorpelzelltransplantation wenden die Transplantation im Labor gezüchteter körpereigener (autologer) Knorpelzellen in die Knorpeldefekte unter einer Schutzschicht aus körpereigener Knochenhaut oder von collagenen Matrixvliesen als autologe Chondrozyten-Transplantation (ACT) oder in Matrixsubstanzen als matrix assoziierte Chondrozytenimplantation (MACI) an. Erfolgreich ist inzwischen auch die zellfreie Implantation von collagener Matrix in das vorbereitete mikrofrakturierte Defektlager als AMIC (autogene matrixinduzierte Chondrogenese). Vorteilhaft ist hier das Vermeiden der aufwendigen Zellzüchtung mit bekannt nur unvollständiger Differenzierung zu Knorpelzellen. Das Ergebnis einer hyalinähnlichen Regeneration kann über eine solche verbesserte Mikrofraktur erreicht werden. Bei tiefen knöchernen Nekrosezonen sind diese Verfahren der Knorpelregeneration alleine allerdings nicht geeignet. Es sollte zusätzlich eine autologe (körpereigene) Spongiosatransplantation unter der Knorpelschicht durchgeführt werden.

Weiterhin versuchen einige Gruppen, mit einer extrakorporalen Stoßwellentherapie das Dissekat wieder zu revitalisieren, sofern es sich noch nicht als Gelenkmaus abgespalten hat. Belege für den Erfolg gibt es hier nicht.

Ergebnisse 

Das Ziel der Behandlung ist eine vollständige Wiederherstellung der Struktur und Funktion des betroffenen Gelenks. Dazu ist eine Revitalisierung und eine Umstrukturierung (Remodeling) der nekrotischen Knochenareale Voraussetzung. Da Knochen generell völlig narbenfrei und in physiologischer Struktur ausheilen kann und umbaut, sind primär keine anatomischen oder mechanischen Restschäden zu erwarten, solange die knorpelige Gelenkoberfläche nicht betroffen ist. Kleinere und stabile Befunde bei Jugendlichen können sich unter konsequenter Sportpause in frühestens einem Jahr spontan zurückbilden bzw. ausheilen. Bei größeren, ebenfalls stabilen, nicht dissezierten Befunden kann trotz operativer Maßnahmen (Anbohrung) die Heilung mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Nach Ausheilung solcher Befunde sind die Ergebnisse meist als sehr gut und gut zu bezeichnen.

Instabile Erkrankungen, bei denen ein osteochondrales Dissekat aus dem Gelenkverbund gefallen ist, ist das Ziel die anatomische Einpassung des Gelenkteils in das „Mausbett" und seine stabile Fixierung. Das Mausbett wird zuvor durch anfrischende Maßnahmen vorbereitet. Hier können bei optimaler Technik auch gute und zum Teil sehr gute Ergebnisse erreicht werden.

Einbau- und Umbauvorgänge dauern sehr lange (Jahre). Die Belastbarkeit eines solchen betroffenen Gelenks ist für viele Monate deutlich eingeschränkt.

Ebenfalls gute Ergebnisse lassen sich bei dissezierter Osteochondrose mit Verlust oder Zerfall des Dissekates erzielen, wenn eine osteochondrale Transplantation von einem Knorpel-Knochen-Zylinder aus einem wenig belasteten Gelenkareal in den Defektbezirk durchgeführt wird. Ausschließlich autologe Knorpelzelltransplantationen können den knöchernen Defekt nicht ausgleichen und eignen sich daher nicht für tiefgreifende Schäden der Gelenkflächen. Die Ergebnisse von Zelltransplantationen sind daher nur im Zusammenhang mit gleichzeitigen Knochentransplantationen oder durch Verwendung von synthetischen Matrixsubstanzen der osteochondralen Transplantation vergleichbar.

Quelle:wikipedia

Nach oben